Samstag, 8. November 2014

Aufgespießt: Deutschland - schwierig Vaterland?

Heute einmal mit spitzer Feder und mit einem gewissen Unmut anlässlich der Fotostrecke: http://www.spiegel.de/fotostrecke/lichtgrenze-2014-berlin-bringt-ehemalige-mauergrenze-zum-leuchten-fotostrecke-120888-12.html

Werden Lichterketten dem epochalen Ereignis gerecht? Geben sie den 16 Mio. Menschen Genugtuung, die damals mit einem Schlag ein neues Leben verordnet bekamen? Zugegeben, von den meisten gewünscht, aber man stelle sich vor, Westdeutschland wäre damals über Nacht zusammengefallen und wir Wessis hätten uns über die Grenzen nach Benelux oder Dänemark, Österreich oder Schweiz (sofern diese nicht sofort geschlossen worden wären) in eine neue Existenz flüchten müssen? Oder übers Meer auswandern? - Im Westteil des Landes änderte sich damals sehr wenig - vor allem in den Köpfen, die nicht begreifen wollten, dass diese gewaltige Zäsur die gesamte Republik betraf.

Kann Gedenken und Erinnern bereits nach 25 Jahren in Pose und Show erstarren? 

Oder vielleicht gerade jetzt, denn Verdrängungsmechanismen weichen erst nach längeren Zeiträumen auf. Man kennt das von Menschen, die den zweiten Weltkrieg noch hautnah erlebten und die jetzt - im weit vorgerückten Alter - von Erinnerungen überfallen werden, die lange in ihrem Innern vereist waren und bis dahin nie Probleme machten. Jetzt brechen sie auf. Sind wir vielleicht kalendarisch noch nicht weit genug vom Mauerfall entfernt, dass wir die Dimension begreifen könnten? Vielleicht sind es ja jetzt gerade die eher plakativen Gesten und PR-Inszenierungen, die das aktuelle Abdriften ins Unpolitische ganz konkret werden lassen. (Wobei man den seriösen Public Relations nicht Unrecht tun sollte, denn hier handelt es sich ja eher um eine verkaufsfördernde Maßnahme - aber was will man uns eigentlich verkaufen?-:-))

Wenn man in den 1990er Jahren in Berlin oder in den Neuen Ländern unterwegs war oder dort lebte, war es gar keine Frage, ob oder wie sich das Land insgesamt verändert hatte. Man hatte keine Zeit darüber zu räsonieren, man erlebte es täglich, mit jedem Atemzug. Und das war gut so - denn es formte und prägte ein verändertes Bewusstsein vom Leben und vom leben lassen. Kam man dann nach Westdeutschland, irritierte die Absenz von politischer und gesamtgesellschaftlicher Denke und das gut genährte Beharren auf dem Status Quo. Später verstörte der Anblick von maroden Straßen, vernachlässigten Brücken, unsanierten Stadtteilen und öden Innenstädten, der Mangel an infrastrukturellen Aufrüstungen und ein Erleben von bleierner und irgendwie auch verzweifelt empfundener Rückwärtsgewandtheit. 

Dass dieses Land derzeit so konservativistisch daher kommt, hat nicht wenig damit zu tun, dass es so viele unpolitische Menschen gibt, vor allem in Regierung und Parlament. Betretene Mienen im Deutschen Bundestag zur Gedenkfeier, als Biermann die Gräben aufzureißen versucht - irgendwie auch verdammt retro.

Guckstu:http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/mauerfall-mit-gauck-und-biermann-teddys-auf-geschichtsausflug-a-1001649.html



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