Entwarnung in heikler Sache
Bislang
war es nicht nur ein beliebtes Thema für filmische Dramen – Kinder, die
irgendwann mit der Neuigkeit konfrontiert wurden, dass der Mann, den sie Vater
nannten, nicht ihr biologischer Erzeuger war. Annahmen von 10% - 20%
Kuckuckskindern wurden Jahrhunderte lang kolportiert, allerdings nie erwiesen. Gerüchte, Vorbehalte, Ängste spielten eine Rolle. Nach der sexuellen Revolution der Neuzeit mit ihren empfängnisverhütenden Errungenschaften nahm man an, dass Kuckuckskinder vermeidbar wären. Allerdings passiert es schon mal nicht ohne Absicht. Neueste Erkenntnisse
belgischer Wissenschaftler lassen nun daran starke Zweifel aufkommen, dass es früher mehr Kuckuckskinder gegeben hätte. Im
Fachblatt „Trends in Ecology & Evolution“ zeigen sie auf, dass nur ein bis
zwei Prozent der Kinder durch außerehelichen Geschlechtsverkehr ins heimische
Nest gesetzt würden. Und das sei schon historisch so gewesen.
Wenn der Kuckuck zweimal ruft
Die
Forschergruppe um Maarten Larmuseau von der KV Leuwen identifizierte nach der
Analyse von genetischen Daten, die mit anderen, die aus der Ahnenforschung
stammten, kombiniert wurden, für Belgien eine Quote von 0,9 Prozent pro
Generation. Ähnliche Resultate erbrachten andere Forscher für Spanien, Italien,
Südafrika und Mali.
Ihren
Namen beziehen Kuckuckskinder aus der Tierwelt, in der Seitensprünge viel
häufiger sind als in menschlichen Populationen. Kuckucksweibchen entziehen sich
der Brut und der Aufzucht ihres Nachwuchses, indem sie ihre Eier in fremde
Nester deponieren. Clever hilft ihnen die Natur bei der List: Die Eier nehmen
auf wundersame Weise die Färbung der Eier ihrer Vogel-Wirtin an.
Was ist dran an der Legende von der Erschleichung guter Gene durch Seitensprung?
Für
Tierweibchen sind ein Seitensprung und das Unterschieben eines fremden Kindes
eine Frage der evolutionstechnischen Überlebens und Optimierens. Es kann sich
der Hoffnung hingeben, dass es durch bessere Gene dem Nachwuchs mehr
Überlebenschancen vermittelt. Außerdem könnte es in die komfortable Lage
kommen, dass gleich zwei Väter sich um die Jungen kümmern.
Menschen
haben es da ungleich schwerer. Das Y-Chromosom, das vom Vater an den Sohn
übertragen wird, kann sich als durchaus verräterisch erweisen – noch nach einigen
Generationen. Außerdem ist das Risiko für Frauen, die durch Seitensprung
schwanger werden, nicht unerheblich: Von körperlichen Kriterien wie
Geschlechtskrankheiten einmal abgesehen, können die Konsequenzen
Partnerschaften, Ehen und Familien zerstören. Schuldgefühle kommen spätestens
dann auf, wenn an Vererben gedacht wird.
Können Männer endlich aufatmen?
Auch
in Deutschland gab es vor einiger Zeit bereits Auswertungen von Studien, die auf eine niedrige
Quote von Kuckuckskindern hinwiesen. Der Mediziner Johannes Fischer vom
Universitätsklinikum Düsseldorf wies bei einer genetischen Untersuchung von
fast 1000 Kindern von Familien, in denen das Kind auf eine Knochenmarksspende
angewiesen war, auf, dass bei nur neun Kinder der Vater nicht der biologische
Erzeuger sein konnte. Noch niedrigere Prozentzahlen (0,63 Prozent) ergab eine
Schweizer Studie.
Können
Männer nun aufatmen? Und warum ist die Angelegenheit für einen Mann so
erschütternd? Schlechte Witze über Kinder, die dem Vater so gar nicht ähnlich
sehen, gibt es zuhauf und sie sprechen Bände. Jeder Mann fühlt sich vermutlich
an der Ehre verletzt, wenn er erkennen muss, dass sein Kind nur untergeschoben
ist. Das geht an die Substanz und hat Konsequenzen, auch für das Kind.
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