Fette Männer in Fallschirmseide
Mitten
in der Nacht weckt Ella ein Schluchzen, das bedrohlich nahe klingt. Benommen
richtet sie sich auf, lauscht. Es ist ihr
Schluchzen. Ein trockener Weinkrampf rüttelt ihren mageren Körper, und in ihrer
Brust, die sich eng und hohl anfühlt, zucken Stiche. Macht ihr Angst.
Angestrengt sieht sie in die Nacht, deren Schwärze dann und wann von den
grellen Leuchtfeuern der Bar gegenüber durchbrochen wird, die gerade ein paar
lärmende Besucher entläßt. Das Leuchtblatt des Weckers signalisiert kurz vor
zwei. Oh mein Gott, jetzt werde ich
wieder wach liegen. Kannte sie. Schlafstörungen,
gegen die nichts half. Baldrian, heiße Milch mit Honig, Muskelrelaxation,
Wärmflasche und Entspannungstropfen, vergiss das alles. Vor Schlaftabletten hat
Ella Angst.
Keuchend läßt sich Ella in die weiche Kuhle der
Matratzenmitte zurück gleiten. Sie sehnt sich danach zu verschwinden, durch
einen Trichter in die Mitte der Erde aufgesogen zu werden. Einfach weg sein. Über
die Zimmerdecke huschen die Streiflichter der Strassenbeleuchtung und im
Zuschauen taucht ihr Bewusstsein allmählich erneut ab.
Später dringt das Kreischen der Straßenbahnschienen in
Ellas flachen Schlaf. Sie weiß, dass sie noch eine gute Stunde hat, bevor über
ihr die morgendliche Wasserorgie einsetzen würde, das Trampeln wuchtiger
Schritte, die Vibrationen im Fensterglas hervorrufen würden. Sie stöpselt sich
die Ohren zu und sinkt zurück in ein wolkiges Gefühl von Unentschiedenheit und
Vorahnung. Bald nimmt sie nur noch ihren Herzschlag wahr, der das Blut durch
die Adern jagt.
Später,
als die Nachbarn oben mit schwerem Schlag der Wohnungstür und klatschenden
Sprüngen das Haus verlassen, hebt Ella ihre schlafsteifen Beine über die
Bettkante und stützt die Arme schwer auf, den Blick auf ihre Füße gerichtet,
den Tag vor sich einer inneren Prüfung unterziehend. Eine nur mühsam
unterdrückte Regung, sich erneut nach hinten fallen zu lassen, gibt ihr das
Gefühl einer Verliererin. Als sie sich mehr resigniert als entschlossen von der
Bettkante abstößt, ist das Schicksal dieses Tages schon besiegelt. Sie wird ihn
mit dumpfem Brüten über ihre verworrene Lage zubringen.
Regen schlägt hart an das Küchenfenster. Während sie den
Wassertopf aufsetzt, läutet der Postbote. „Heute gar nicht zur Arbeit? Doch
nicht etwa krank?“ Mit einem Blinkern in den Augen bringt er ihr das
eingeschriebene Todesurteil, früher als erwartet. Lange sitzt Ella am Tisch und
starrt auf den Zettel in ihrer Hand, auf dem die schwarzen Zeichen zu tanzen
beginnen. Man hatte nicht gezögert, das Verfahren in Gang zu setzen. Was hast du denn erwartet, dumme Gans?
Mitleid? Verständnis mit einer Buchhalterin, die nach 20 Jahren treuem Dienst
der Versuchung nicht widerstanden hat? Ella zieht die Augenbrauen zusammen,
bis sie wie kleine Dächer unter den strähnigen Stirnfransen stehen und schlägt
mit der flachen Hand auf die Tischfläche.
Nie hat man Ella im Betrieb besonders wahrgenommen, sie gehörte
irgendwie zum Inventar, das bedürfnislos war wie sie, bis zu diesem drückenden
Tag im Hochsommer, als sich schon frühmorgens in der Straßenbahn ein kleiner
Bach in Ellas Nacken sammelte und ihre hellrosa Bluse unter den Achseln sich
schwarz verfärbte, als sie nur mit Mühe den Weg zu ihrem Büro bewältigte, weil
dörrende Sonne auf sie niederknallte und ihre Unterwäsche mit der brennenden
Haut verschmelzen ließ.
Dann ins klimatisierte Vorzimmer des Chefs vorgedrungen,
konnte Ella an Fräulein Doblers Outfit nicht annähernd die Verwüstungen erkennen,
die sie selbst erlitten hat. Wie ein frisch geschlüpftes Küken tänzelte Fräulein
Dobler vor ihr herum, während sich Ella, der Lächerlichkeit ihres
Auftretens beschämt bewußt, mit nervösen Händen die nassen Stirnlocken wegstrich und den vergeblichen Versuch
unternahm, ihre klebrigen Rockschösse zu lösen, die sich um die feuchte Innenseite
ihrer Schenkel gewickelt hatten.
Bei der anschließenden Aussprache mit ihrem Chef, der Ella vor seinem Schreibtisch stehen ließ und seinen Blick aus dem Fenster in die brütende Stadt gerichtet hielt, war es ihr unmöglich, ihren Wunsch nach der fälligen Gehaltserhöhung auszusprechen. Gesenkten Kopfes hatte sie den Rückzug in ihr stickiges Zimmer angetreten, als ein eintreffendes Telefonat ihr Gelegenheit dazu bot. Als sie sich an ihrem Rechner in die Bankkonten von Ehrlicher & Co einloggte, um die monatlichen Gehaltsanweisungen vorzunehmen, war ihr noch nicht klar, dass dieser Tag eine Kehrtwende in ihrem Leben bedeuten würde.
Stattdessen arbeitete sie die Tagesroutine ab, bis gegen Mittag die Luft unter dem Dach so erstickend wurde, dass Ella den obersten Knopf ihrer Bluse öffnend kurz ans Fenster trat. Ella sah Autos auf schlierigem Asphalt mit sich auflösenden Pneus herumfahren, irgendwie immer im Kreis, und dachte benommen: Was soll das alles? Hinter dem Steuer wie fest geklemmt sitzende Fahrer schienen ihre Gefährte ihnen nicht bekannten Zielen entgegen zu steuern. Ella riss das Fenster auf und beugte sich nach Luft ringend hinaus, um ihnen ein lautes Stopp entgegenzurufen. Sofort leckte ihr brennende Hitze über das Gesicht. Ein paar Fensterreiniger, die mit nacktem Oberkörper und aufgekrempelten Hosenbeinen auf einem Gerüst am Gebäude gegenüber klebten, schwenkten die Putzlappen und pfiffen. Ihr Anführer, ein kugeliger kleiner Mann, eine Bierflasche am Mund, machte eine obszöne Bewegung, die Ella missverstand. Arglos und unbeholfen winkte sie zurück. Die Arbeiter brachen in krachendes Gelächter aus, das Ella mit heißem Kopf zurückfahren und sich bodenlos schwer fühlen ließ.
Bei der anschließenden Aussprache mit ihrem Chef, der Ella vor seinem Schreibtisch stehen ließ und seinen Blick aus dem Fenster in die brütende Stadt gerichtet hielt, war es ihr unmöglich, ihren Wunsch nach der fälligen Gehaltserhöhung auszusprechen. Gesenkten Kopfes hatte sie den Rückzug in ihr stickiges Zimmer angetreten, als ein eintreffendes Telefonat ihr Gelegenheit dazu bot. Als sie sich an ihrem Rechner in die Bankkonten von Ehrlicher & Co einloggte, um die monatlichen Gehaltsanweisungen vorzunehmen, war ihr noch nicht klar, dass dieser Tag eine Kehrtwende in ihrem Leben bedeuten würde.
Stattdessen arbeitete sie die Tagesroutine ab, bis gegen Mittag die Luft unter dem Dach so erstickend wurde, dass Ella den obersten Knopf ihrer Bluse öffnend kurz ans Fenster trat. Ella sah Autos auf schlierigem Asphalt mit sich auflösenden Pneus herumfahren, irgendwie immer im Kreis, und dachte benommen: Was soll das alles? Hinter dem Steuer wie fest geklemmt sitzende Fahrer schienen ihre Gefährte ihnen nicht bekannten Zielen entgegen zu steuern. Ella riss das Fenster auf und beugte sich nach Luft ringend hinaus, um ihnen ein lautes Stopp entgegenzurufen. Sofort leckte ihr brennende Hitze über das Gesicht. Ein paar Fensterreiniger, die mit nacktem Oberkörper und aufgekrempelten Hosenbeinen auf einem Gerüst am Gebäude gegenüber klebten, schwenkten die Putzlappen und pfiffen. Ihr Anführer, ein kugeliger kleiner Mann, eine Bierflasche am Mund, machte eine obszöne Bewegung, die Ella missverstand. Arglos und unbeholfen winkte sie zurück. Die Arbeiter brachen in krachendes Gelächter aus, das Ella mit heißem Kopf zurückfahren und sich bodenlos schwer fühlen ließ.
Was macht schon eine Stelle nach dem Komma aus?
Noch
jetzt, ein paar Monate später, mit dem Schreiben der Staatsanwaltschaft in der
Hand am Küchentisch, ist ihr nicht klar, ob diese Beschämung der Auslöser dafür
war, dass sie in der monatlichen Anweisung eine Kommastelle zu ihren Gunsten
verschob und an geeigneter Stelle eine Null zufügte. Kam das jetzt noch darauf an? Kam es überhaupt noch auf etwas an?
Ella breitet die Arme über die Tischplatte und läßt den Kopf auf das Blatt
fallen. Der Druck malt auf ihren nassen Wangen schwarze Spuren. Einfach nur liegen und den Regentropfen in
der Dachrinne lauschen, denkt sie noch, bevor sie in einen unruhigen Dämmerschlaf
abgleitet.
Als
sie hoch schreckt, ist das Wasser im rot glühenden Topf eingekocht. Sie löscht
die Flamme und tastet sich ins Badezimmer. Der Spiegel reflektiert ihr ein
fleckiges Gesicht, verquollene Augenlider, einen breiten Mund, dessen Winkel
sich schon als sie ein Kind war nach unten senkten. Mit angefeuchtetem
Zeigefinger streicht sie die Augenbrauen entlang. Ihr Vater hat immer befunden,
dass sie viel zu buschig seien, ihre Nase zu knochig. Es würde ihr einmal
schwer fallen einen Mann zu finden, fade und tollpatschig wie sie sei, sagte er
gerne. Ella hat es geglaubt und fortan
alles daran gesetzt, die Kränkung, die dieser schöne, stattliche Mann durch
seine unansehnliche Tochter empfinden musste, durch bewundernde Gefügigkeit
auszugleichen, vom Vater herablassend hingenommen. Aber es schien nie genug zu
sein. Die sonntäglichen Spaziergänge am Rheinufer, die dem Kind die rare
Gesellschaft des Vaters bescherten, hätte es wie ein kleines Fest genossen,
wäre ihm nicht brennend klar gewesen, dass der prachtvolle Mann, der auf sich
hielt, der sich mit einer großzügigen Geste das Jackett zuknöpfte und den Bauch
einzog, sich mit seiner Familie genierte. Ein paar Meter vor ihnen ging er, mit
langen, ein wenig hüpfenden Schritten. Die Mutter, verhuscht und blass, zog
Ella hinter ihm her.
Das Denkmal im Herrenzimmer
Wenn
sie es einmal wagte, unaufgefordert in das von dem Vater dominierte Herrenzimmer einzudringen, wo er seinen breiten Rücken über ein Schriftstück beugte, das
seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch zu nehmen schien, ließ er sie
stehen wie ein Hündchen, das auf einen Befehl wartet. In dieser Zeit
verschmolzen Ellas Füßchen mit dem Fußboden, ihr wuchsen Wurzeln wie einem
Waldschrat und ihr Kopf hing nach unten wie der einer Trauerweide.
"Ja", knurrte er meist, ohne sich umzusehen. "Was willst
du?" Unmut schwang in seiner Stimme mit, dennoch bezwang er sich und
wandte sich endlich um. "Ella? Was?" Das Kind hatte sich nie anders
helfen können als zu stottern: "Die Mutti fragt, ob du zum Essen kommen
willst?"
Wie gerne wäre sie zu ihm gelaufen, hätte ihm, der sich in ihrer Vorstellung weit nach unten gebeugt haben würde, die Arme um den Hals geschlungen und sich einen dicken Schmatz auf die Wange geben lassen. So stellte Ella sich vor, wie ein Vater mit seinem Kind umzugehen hatte. Das war natürlich nur eine Idee. In Wirklichkeit kam dies nicht vor. Als hätte der Vater ihre eigenen Zweifel auch gespürt, sagte er jedes Mal: "Ella, komm, hier bekommst du etwas von deinem Vater." Er langte in seine Hosentasche, nahm den Geldbörse heraus, fischte aus dem Lederspalt ein Markstück und hielt es ihr entgegen, vor Ungeduld mit dem Finger schnipsend, weil das Kind für seine Begriffe viel zu langsam nach dem Geldstück griff. Ella knickste, nahm es an, verwahrte es in ihrer verschwitzten kleinen Hand und ging rückwärts wieder hinaus. Dass der Vater sie zurückrufen würde, hoffte sie immer noch. Immer aber vergebens. Ein raues Gefühl von Vernichtung und Abwertung verdunkelte ihr den Rest des Tages.
Wie gerne wäre sie zu ihm gelaufen, hätte ihm, der sich in ihrer Vorstellung weit nach unten gebeugt haben würde, die Arme um den Hals geschlungen und sich einen dicken Schmatz auf die Wange geben lassen. So stellte Ella sich vor, wie ein Vater mit seinem Kind umzugehen hatte. Das war natürlich nur eine Idee. In Wirklichkeit kam dies nicht vor. Als hätte der Vater ihre eigenen Zweifel auch gespürt, sagte er jedes Mal: "Ella, komm, hier bekommst du etwas von deinem Vater." Er langte in seine Hosentasche, nahm den Geldbörse heraus, fischte aus dem Lederspalt ein Markstück und hielt es ihr entgegen, vor Ungeduld mit dem Finger schnipsend, weil das Kind für seine Begriffe viel zu langsam nach dem Geldstück griff. Ella knickste, nahm es an, verwahrte es in ihrer verschwitzten kleinen Hand und ging rückwärts wieder hinaus. Dass der Vater sie zurückrufen würde, hoffte sie immer noch. Immer aber vergebens. Ein raues Gefühl von Vernichtung und Abwertung verdunkelte ihr den Rest des Tages.
Ella
empfindet auch heute vor dem Spiegel immer noch keine Wut über seine Zurückweisung.
Ein bitterer Geschmack auf den Lippen, nichts weiter. Sie spült den Mund aus,
gurgelt, spuckt aus; was blieb, war der Ekel vor dem eigenen Versagen.
Fette Männer in Fallschirmseide
Später in der S-Bahn, die sie in ein Außenviertel der großen Stadt bringen soll,
sieht sie fette Männer in bunter Fallschirmseide, die sich gegenseitig Würste
und Bierdosen zuschieben. Ihre von Gel glänzenden Haare bilden Karnevalskappen auf
den runden Köpfen Der Stoff ihrer Sportjacken flüstert unter den Bewegungen
ihrer fleischigen Körper und ihre sich überschlagenden Stimmen fordern
Aufmerksamkeit. In der Mitte des Waggons formen ihre Fahrräder einen kleinen Hügel,
über den man springen muss, um den Ausstieg zu erreichen.
Die
Männer lachen, als Ella sie mit offenem Mund anstarrt. Einer von ihnen reicht
ihr mit einer großen Geste, als holte er um die ganze Welt aus, eine Wurst
hinüber, aus der Fett spritzt, als sie gehorsam und beinahe gierig hineinbeißt.
Er zwinkert ihr zu und drängt sich an sie heran, die rasch abrückt; der
stechende Geruch aus seinem Sportanzug verursacht ihr Brechreiz. "Na,
junge Frau", sagt er mit steil erhobenem Finger, "heute noch nichts
gefuttert, was?" Er schiebt sich noch näher, bis er scheinbar zufällig
Ellas Nacken berührt. Sie weicht aus und lässt die Wurst fallen. "Was
fällt Ihnen ein?" Das kennt sie, die Übergriffe der Männer, die sie mit
scharfer Stimme abwehren muss. Dreiste, plumpe Gesten, die Angst machen. Nah, zu nah kamen sie! "Dann nicht,
dumme Pute!" flucht der Mann gutmütig und wendet sich ab. Im Weggehen
schwenkt er seinen Hut bis zum Boden und lacht wiehernd unter dem Beifall
seiner Kumpels.
Ella
zwängt sich in den hinteren Waggonteil, setzt sich ans Fenster und legt den
Kopf an die kühle Scheibe. Erst jetzt bemerkt sie, dass ihre Zähne aufeinander
schlagen und ein Schweißpolster zwischen ihren Brüsten klebt. Ihr
Bewusstsein fließt davon, sie spürt zwar noch die breiten Schenkel der Frau
neben sich, die ihre pralle Einkaufstasche mit verkrampften Händen auf dem
Schoß hält und die Balance verliert, als die Bahn vor einem die Fahrbahn
blockierenden Auto jäh stoppt. Ihre massige Schulter streift Ellas Kopf und im
Wegdrehen murmelt sie eine flüchtige Entschuldigung, die Ella kaum registriert,
denn sie wird gerade durch einen endlos langen Schlauch gezogen und eine Welle
umspült sie wie die Brandung eines Weltmeeres. Am Ende des Tunnels wartet eine
Gestalt auf sie. Das Gesicht kann Ella aus der Entfernung nicht erkennen, aber
eine starke Sehnsucht weitet ihre Brust. Sie streckt die Arme aus, fühlt sich
frei und glücklich und will endlich ankommen. Aber die Gestalt entfernt sich
immer mehr von ihr, wird rasend schnell kleiner und nichtiger und schließlich
unsichtbar, der Tunnel verlängert sich stetig und nimmt kein Ende. Ella schreit
lautlos, bis ihre Kehle schmerzt.
Endstation Sehnsucht?
Als
der Fahrer die Endhaltestelle ausruft, ist Ella
längst allein in der Bahn. Mit den fetten Männern ist auch die lärmige
Betriebsamkeit gewichen, die ihr immerhin das Gefühl gegeben hat, lebendig zu
sein. Nun ist sie wieder müde, zum Sterben müde und elend. Am liebsten würde
sie sich auf der leeren Rückbank lang ausstrecken und sich an die kühlen
abgerissenen Lederpolster anschmiegen, zwischen zerknautschte Cola-Dosen und Zeitungsblättern.
Da der Fahrer sich an den Deckenschildern zu schaffen macht und dabei mürrische Blicke auf sie wirft, steigt Ella endlich aus und wendet sich mit
schleppendem Schritt in die Straße, die mit einem scharfen Knick zum Friedhof
führt.
Vor
dem Haus, in dem in der sie vor mehr als 40 Jahren geboren wurde, macht ihr
Herz einen Sprung, der von ihr verlangt, sich eine Weile an der kalkigen
Hausmauer anzulehnen und auszuruhen. Im rauen Putz erkannt sie bis heute nicht
geglättete Narben wieder. Daneben die Graffitti der Neuzeit. Fuck you, Mr. President, rot und grell.
Mit den Fingern fährt sie den Türstock entlang, tastet über das Klingelbrett,
dann steigt sie die Treppen zum dritten
Stock hoch. Im einfallenden Tageslicht flirrt der Staub. Noch immer knarren die
Treppenabsätze in Erwartung. Aber es
geschah ja nie was.
Die jetzigen Bewohner der Wohnung, deren säuerliche Ausdünstung Ella sofort wiedererkannt, können sich der schweigsamen Fremden nicht erwehren, die auf ihrer Schwelle ganz selbstverständlich Platz nimmt und sich hartnäckig weigert, ihren Namen zu nennen. Da sie kleine, wirre Laute ausstößt und blicklos an ihnen vorbei starrt, rufen sie die Ambulanz, in die sich Ella beinahe friedlich tragen lässt.
Die jetzigen Bewohner der Wohnung, deren säuerliche Ausdünstung Ella sofort wiedererkannt, können sich der schweigsamen Fremden nicht erwehren, die auf ihrer Schwelle ganz selbstverständlich Platz nimmt und sich hartnäckig weigert, ihren Namen zu nennen. Da sie kleine, wirre Laute ausstößt und blicklos an ihnen vorbei starrt, rufen sie die Ambulanz, in die sich Ella beinahe friedlich tragen lässt.
Das Knistern des Lakens unter ihr auf der Bahre schläfert sie ein und als der Wagen stoppt und
Ella unter den anfeuernden Kommandos der Sanitäter von der Trage gerutscht ist,
folgt sie dem Arzt widerstandslos durch die vergitterte Milchglastür,
die hinter ihr mit einem metallischen Klacken ins Schloss fällt.
Sigrid Jo Gruner
Potsdam, 2002
Bildnachweis:
Foto mouth-2122687_1280 Pixabay
Sigrid Jo Gruner unterstützt als "MissWord! Manufaktur für das wirksame Wort" kommunikative Unternehmen, Freiberufler, Berater & Coaches bei Marktpositionierung, Branding und Unternehmenskommunikation.
Schwerpunkte: Strategie- & PR-Beratung, Redaktion & Texttuning, Premiumtext (Web, Magazin, PR), Publikation (E-Book, Whitepaper, Folder), Buchcoaching und Ghostwriting (Sachbuch & Corporate Book für Beratungsprofis und Unternehmen). Eigene Autorenprojekte (narrativ/szenisch)
Charakteristika: Leidenschaft, Empathie und Chuzpe und 26-jährige Selbstständigkeit.
Bildnachweis:
Foto mouth-2122687_1280 Pixabay
Sigrid Jo Gruner unterstützt als "MissWord! Manufaktur für das wirksame Wort" kommunikative Unternehmen, Freiberufler, Berater & Coaches bei Marktpositionierung, Branding und Unternehmenskommunikation.
Schwerpunkte: Strategie- & PR-Beratung, Redaktion & Texttuning, Premiumtext (Web, Magazin, PR), Publikation (E-Book, Whitepaper, Folder), Buchcoaching und Ghostwriting (Sachbuch & Corporate Book für Beratungsprofis und Unternehmen). Eigene Autorenprojekte (narrativ/szenisch)
Charakteristika: Leidenschaft, Empathie und Chuzpe und 26-jährige Selbstständigkeit.
Schwerpunktthemen: Alles was die Sinne anspricht und Sinn macht. Gesellschaftspolitische Themen, modernes Leben, komplexes B2B, Food, Living, LifeBalan
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen