Sonntag, 28. April 2013


Der Friseursaloon in der Marktgasse


In ein winkeliges Fachwerkhaus gedrückt, hält sich seit 50 Jahren der Salon Toni. Seit der Gründung hat sich wenig verändert: Blumenmuster an den schiefen Wänden, Leinenvorhänge mit Spitzenbesatz vor Sprossenfenstern, zierliche Frisörstühle mit dunkelroten Lederpolstern, an denen der Zahn der Zeit nagt. Und manchmal auch Nachbars Spitz, der sich öfters hereinschleicht .. Steht er auf den feinen Sprühnebel, der die Luft durchsetzt? Das Klicken der Föhnhauben, den leicht stechenden Geruch von Haarfarbe? Nein, er ist kein Masochist, eher das Gegenteil. Die Damen jenseits der 60, die sich hier Dauerwellen und Rottöne zaubern lassen, lieben den Spitz und kramen aus ihren Handtaschen Leckereien, die ihn für einige Minuten glücklich machen. Cracker, Leberwurstpellen, Karamellbonbons, die in seinen Zähnen kleben bleiben. Nur Schnapsbohnen mag er nicht. Wie auch? 

Ladeninhaber Toni ist mit seinen Kunden und Kundinnen in die Jahre gekommen. Sein Salon ist mehr Saloon, Marktplatz, Kummerecke, Sozialamt, Kaffeeplausch am Nachmittag. Man geht zum Friseur wie zum Arzt, will über Schicksalsschläge, freudige Ereignisse und Beerdigungen reden, Menschen sehen hautnah. TV-Serien werden durchgehechelt, eigene Liebeleien verschämt erinnert, während die Hitze der summenden Haube die Apfelbacken rötet. 

Haare sind wichtig - ein Leben lang, erst recht, wenn man keine mehr hat. Sagt Toni. Er hat seine Stirnglatze hübsch drapiert, man sieht sie kaum.  

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