Sonntag, 20. Oktober 2013

Sonntagsthema: Ist Erholung ein Grundrecht?




Wenn Brückentage nahen oder Schulferien drohen, setzt sie ein, die touristische Haus- und Wohnungsflucht. Koffer packen, Kurzurlaube buchen, Last Minute Reisen abarbeiten. Ein wenig scheint es, als ob Erholung nur möglich sei, wenn man den Alltagspflichten zuhause entflieht, um anderswo neue auf sich zu nehmen: sich auf aufgeplatztem Asphalt meterweise vorwärts schieben, durch heißen Saharasand tuckeln, am Kreuzfahrt-Büffet in Dreierreihen mit gezückten Ellenbogen anstehen, an voll gedrängten Stränden seine Haut retten, sich zwischen exotischen Kulissen drängelnden Touristenführern aussetzen, fremdes Essen für seinen Verdauungsapparat zumutbar halten (gegrillte Ameisen oder Hammelhoden) oder sich mit den Tücken der Hotelanlage abfinden, die zufällig an einer Haupt-Straßenkreuzung oder innerhalb einer Baustellen-Vorortsiediung liegt .. Stimmt, leicht dramatisiert - aber haben Sie noch nie einen ähnlich absurd verlaufenen Urlaub erlebt? Nein? - Glückwunsch!

Unbestritten ist der Nutzwert - privat-gesundheitlicher und gesellschaftlich-wirtschaftlicher Natur - von Ferien, Urlaub, Erholungsauszeiten. 

Aber stellt sich dieser immer her? 

Früher, ja früher erholte man sich am Wochenende am Baggersee, in der Familie (na, ja, mehr oder weniger ;-)), beim Sonntagsausflug, in Bett oder Biergarten, mit Freunden am Grill, bei biederen Samstagabend-TV-Familienshows oder am Fußballplatz. Unaufwändige, selbstverständiche kleine Freuden. Nach einem unaufgeregten und daher erholsamen Wochenende kehrte man einigermaßen entspannt in den Büro- oder Werkhallenalltag zurück, um sich spätestens ab Montagnachmittag auf den casual friday zu freuen ..

Heute ist Erholung ein Must geworden, das man offenbar genauso ernsthaft zu planen und zu absolvieren hat wie den Berufsalltag. 

Regelmäßig abschalten und den Kopf leeren

Seit 1948 hat der Mensch ein in der Erklärung der Allgemeinen Menschenrechte durch die Vereinten Nationen verbrieftes Recht auf Erholung. Bis dahin verstand man unter diesem Begriff die Wiederherstellung der Gesundheit nach Krankheit, Verletzung oder Unfall, nach einer besonders fordernden Anstrengung. Während des Arbeitstages und im Laufe des Arbeitsjahres verhindern sinnvolle Unterbrechungen und Pausen, dass Organismus und Psyche über ihre Grenzen hinaus belastet werden. Chronische Überbelastung zieht Negativ-Stress, Konzentrationsschwächen, Aussetzer, Übermüdung und eine hohe Fehleranfälligkeit nach sich. Keine tragfähige Basis für soziales Agieren also. 

Da heute die Schere zwischen Leistung und Erholung immer weiter auseinander klafft, hat der Mensch umso ausdrücklicher ein Recht auf körperlich-geistige Unversehrtheit durch Erholungsphasen. Entspannte Mitarbeiter tragen Unternehmensentwicklungen, funktionierende Gesellschaftsmodelle, die gesamte Volkswirtschaft. Der funktionierende Arbeits-Mensch wurde zum Wirtschaftsfaktor No.1. 

Die gute Nachricht: Bereits im Schlaf zeigt sich die Regenerationsfähigkeit des cleveren menschlichen Organismus. Schlafend tut man eine Menge für sein Immun- und Nervensystem. Also - ab in die Federn!

Oder zwischendurch mal ins Grüne gucken, ins Thermalwasser hüpfen, in Grünzonen, Parks und Grünanlagen am plätschernden Springbrunnen in der Lieblingslektüre blättern, Naherholungsgebiete, Biotope, Naturparks neu entdecken, den Fernseher dunkel lassen und entspannt Monopoly spielen, im Museum die Besucher beobachten, im Café  einen Wildfremden in ein Gespräch verwickeln und feststellen, dass man eine Menge gemeinsam hat .. zufrieden durch die Fußgängerzone schlendern und mal NIX kaufen wollen. 

Die alten Römer zeigten ihren Wohlstand, indem sie ungeniert dem Müßiggang frönten. Machen wir es ihnen nach, für ein paar Stunden in der Woche, jeder nach seinem eigenen Maß. Einfach mal nix tun. Telefon aus. Mailprogramm abschalten. Alle Stöpsel ziehen außer den in der Badewanne ..

Sind es nicht die kleinen Dinge, die kleinen Schritte, die - kontinuierlich befolgt - die großen ins Rollen bringen?

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