Sonntag, 7. Juni 2015

Sonntagsthema: Der Autor als Software oder Wann ist ein Text eigentlich preis-wert?

Vor Kurzem empfahl mich ein langjähriger Kunde mit der Bemerkung weiter: "MissWord! ist nicht billig, aber ihren Preis in jedem Fall wert." Das gefiel mir einerseits, andererseits brachte es mich auch zum Grübeln. Sind sich es Kunden nicht selbst schuldig nur beste Qualität einzukaufen? Will man selbst 1a-Qualität anbieten, sollte man diese nicht auch mit 1a-Dienstleistern realisieren?

Das ich nicht billig sein will, liegt auf der Hand. Wer will schon in die Nähe eines "Billigen Jakobs" gestellt werden? Geiz- und Schnäppchen-Mentalität waren hoffentlich nur kurzzeitige manipulative  Eintagsfliegen. Allerdings begegnet man gerade im Textbereich nicht selten einem Irrglauben. Er besteht aus zwei Sätzen: "Schreiben kann doch jeder" und "Text macht doch kaum Arbeit und daher darf er auch nicht viel kosten". 

Dass dahinter auch eine intellektuellenfeindliche Einstellung steckt, wurde bereits im letzten Sonntags-Thema ausgeführt. Handarbeit schlägt Kreativarbeit;-) Wenn ein honoriges Heizungsbauunternehmen ein Angebot für eine neue Anlage abgibt, wundert sich niemand, dass dies einen Betrag X kostet, der dann bei der finalen Auftragsvergabe und Realisierung teilweise oder ganz angerechnet wird. Kreativdienstleister geben nicht weniger substanzielle und zeitträchtige Angebote ab, meist unentgeltlich,  also sehr un-zeitgemäß.

Ist eine Billiger-Jakob-Denke nicht ein Widerspruch in sich?


Das Google-Monster ruft zu mehr Content auf, was ja gut ist. Es sagt zwar auch, dass der Content "hochwertig" sein soll, nützlich, substanziell, attraktiv für Suchmaschinen und User gleichermaßen. Einzigartig und originell, sonst gibt's ne Rüge, die sich auch als Backpfeife anfühlen kann. Gut gemeint, aber man hört ja bei derartigen Belehrungen immer das was man hören will:  das VIEL! Und dann werden Texte geschrubbt wie Fußböden, über die gerade Kindergartenausflügler mit schlammigen Gummistiefeln getrampelt sind. Hauptsache: Billig! Das Solches nicht von Bestand sein kann, leuchtet ein. Aber was soll's? Dann muss eben neu "geschrubbt" werden - Wo ist das Problem? Das Problem ist, dass eine solche Billig- und Austauschbar-Denke im Endeffekt richtig teuer kommt. Denn die Wirkung ist gleich null, im besten Fall. Im negativen Fall: Abtörnend. Im worst case: Verheerend. - 


Hinter dieser Denke steht ein Missverständnis. Der Unterschied zwischen Preis und Wert wird gerne ignoriert. Wenn ich für eine Packung Waschpulver einen Preis von 4,99 EUR berappe, bekomme ich dennoch einen weit höheren Wert als Gegenleistung. Nämlich? Einige Waschmaschinen-Ladungen von blütenreiner, frühlingsfrischer Wäsche - Wohlbefinden - properes Auftreten - die Konvention von anständiger Performance und gepflegter Sozialverträglichkeit ..  :-) Dass man sich so auch ein gutes Gewissen verschafft, wissen wir seit der legendären Ariel-Klementine-Werbung, mit der die Schauspielerin Johanna König als Werbefigur zur Ikone wurde. 

Produkte haben in der Regel einen tieferen Kern. Ein Auto ist per se kein Fortbewegungsmittel, sondern auch ein Spaßfaktor. Mit ihm erweitert man seinen Radius, baut Status auf oder lebt sein Freiheitsbedürfnis aus. Ein Computer ist nicht nur ein technisches Hilfsmittel, sondern ermöglicht  schier unbegrenzte Kommunikation, ein Text ist nicht nur das Blatt Papier auf dem er ausgedruckt wird oder der PDF-Download im digitalen Archiv, sondern ein Vehikel der zielorientierten Verbindung mit der Welt, seinem direkten Umfeld und den Öffentlichkeiten - im privaten wie kommerziellen Sinn. Bleibend, nachhaltig, multifunktional. 


Software Autor: Was ist billig? Kostengünstig? Preiswert?


Wirkt ein Text, ist er seinen Preis wert. Aber ist preis-wert heute im umgangssprachlichen Verständnis nicht auch in die Nähe von billig gerückt? Was ist mit kostengünstig? Schon besser: Die Kosten für einen Text sind per se die Kosten, die der Schreiber hat. Sie müssen den Aufwand des Systems Autor decken. Seine Zeit, Hingabe, Kompetenz, Erfahrung, sein Know-how. Das was ihn ausmacht: Qualität, Niveau, Substanz, Strategie, Hintergrund, Handling, Administration - weniger Toner, Druckerschwärze oder Computer (Na ja, auch, die Hardware fließt in die Position Administration)

Prints berücksichtigen Auflage und Reichweite bei der Preisgestaltung, Werbung wird umso teurer, je mehr Klicks, Impressions, Visits, Leser, Auflagenhöhe, Leads u.a. kalkuliert werden können. Nicht umsonst wirbt Google bei seiner Adwords-Werbung mit der Anzahl an Impressions, also rein visueller Sichtbarkeit. Das heißt noch nicht, dass die Anzeigen geklickt oder inhaltlich wahrgenommen, geschweige denn in Aktion umgesetzt worden wären. Aber es dient dem Branding. 


Beispiel Social Media - eine Anzahl von 1000 Facebook-Freunden heißt noch lange nicht, dass diese meine Postings auch wirklich konsumieren, geschweige denn davon beeindruckt sind. Auch FB-Werbung zählt die Impressions. Das klingt erst mal nett, sagt aber noch nichts über die Wirkung aus. Man zeigt Gesicht und hofft, dass es nachwirkt. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Warum ist ein Text ein Vielfaches seines Preises wert?


Bei Texten lässt sich die Reichweite nicht akkurat messen, aber der Nachhall ist dem Produkt bereits immanent. Beispiel: Ein Webtext hat einen Preis von - sagen wir einfach mal -  80 bis 500 EUR je nach Komplexität, Rechercheaufwand und Umfang, Nutzungsrecht, Art und Reichweite der Verwendung. Aber sein Wert ist je nach Format und Ziel um ein Vielfaches höher. Sein direkter Effekt ist dass eine Website damit anständig gefüllt wird. Doch erst seine mittelbaren Effekte stellen den Wert dar: Zugewinn an Aufmerksamkeit, Sympathie, Reputation, Interesse, Neugier, Kunden, Abonnenten und Kundenbindung. Er beeinflusst die Außenwahrnehmung eines Unternehmens auf subtile und subkutane Weise und wirkt über beide Gehirnhälften auf den Leser ein. Selbst wenn der Text von diesem nur gescannt wird, hinterlässt er nicht tilgbare Spuren und bewirkt so eine positive Verstärkung in der Markenbildung von Produkten und Dienstleistungen. Je öfter, umso intensiver. 

Texter-Fazit:


Kunden, die ihren eigenen Wert kennen und sich selbst und andere mit Respekt behandeln, beauftragen keine Billiger-Jakob-Texter, schon aus dem eigenen Selbstverständnis und dezidierten Selbstwertgefühl heraus nicht. Sie sind sich selbst Qualität schuldig. Hochwertige Produkte und Dienstleistungen von Qualitätsunternehmen jeder Größenordnung bedingen hochwertige Medien. Auf Augenhöhe. Alles andere ist kontraproduktiv.



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