Freitag, 18. September 2015

Aufgespießt: Die wundersame Vermehrung der Berater

Wagalaweia - Wir leben in einer wunderbaren Zeit!


Nichts kann uns etwas anhaben, nichts wirft uns um, denn - wir haben für schlechterdings alle Verirrungen und Wirrungen in den Schubladen unseres Alltags Lebens- und Glücksberater, Coaches, Trainer, Motivierer, Aufrüttler, Ins-Hinterteil-Treter, Kuschler, Heiler, Wahrsager, Seelenkundige, Schamanen, Hellseher, Positiv-Denker, Streichler, therapeutische Wohltäter und Propheten, Lebensbegleiter, die unser Bestes wollen. Es drängt sich in den Brutkästen. Wo kommen sie plötzlich alle her? Das Klima der Dekade scheint günstig. Verunsicherte Menschen bedürfen der Leitung. Außerdem stehen wir mehr denn je in der Pflicht perfekt zu sein. Doch mit allem, was das moderne Leben täglich neu gebiert sich schnellstmöglich vertraut zu machen, strengt mächtig an und ist dem Felsbrocken des bedauernswerten Sisyphos nicht unähnlich.


Aber damit nicht genug - eine Meta-Ebene hat sich gebildet, auf der sich die Trainer der Trainer, die Supervisor des Supervisors, die Berater der Berater positionieren. Denn - ganz klar, man kennt es aus den sozialen Berufen - wer viel gibt, ist schnell mal ausgelaugt oder am Ende seines Lateins. Das macht ja nix - hier treten die Coaches der Coaches auf den Plan. Und das ist auch gut so. Aber wie soll das weitergehen? Ist die Pyramide nach oben offen? Hat schon ein bisschen ein Geschmäckle wie das Network Marketing oder MLM-Business, wo auf gestaffelten Profitebenen von den jeweils unteren profitiert wird.

"Fragen Sie Frau Irene!"


Damit soll keineswegs die Kaste der Berater geschmäht werden - gehöre ich ja selbst zu einem großen Teil meiner beruflichen Identität dazu. Aber man ahnt, dass diese panisch oder manisch gezeugte Überproduktion fatalerweise in nicht wenigen Einzelfällen auf einem sehr wackeligen Podest von selbst ausgerufenem Expertentum ruht, das mittels Schnellkurs oder Selbsttherapie oder göttlicher Eingebung  (aber auf diese wartet seit Ludwig Thoma die Bayerische Staatsregierung noch heute)  auf die Menschheit losgelassen werden. Das mag in Fällen wie "Wie unterscheide ich zwischen dem guten und schlechten Unkraut in meinem Vorgarten?", "Mit dem Inneren Schweinehund auf Du & Du", "Ein Buch schreiben - ganz talentfrei und dennoch erfolgreich!" oder "Welche 7 Wünsche Sie sich in Ihrem Leben unbedingt erfüllen sollten, damit Sie annähernd glücklich werden" noch angehen. Obwohl manche davon auch ein gewisses Gefahrenpotenzial bergen. Geht es aber an die essenziellen Dinge des Lebens - Sicherheit, Bestätigung, Selbstwert, Entwicklung, Eigenständigkeit, materielle Sicherheit, leibliche und seelische Unversehrtheit, Beziehung - muss die Latte der Qualitätskontrolle so hoch wie nur irgend möglich gelegt werden.

Ansonsten würde ich mir wünschen, die Medien würden zu einer probaten Institution zurückkehren, die noch in den Dekaden vor der Jahrtausendwende schwer beliebt und als vertrauenswürdige Lebenshilfe tausendfach frequentiert war: Die Briefkastenonkels und Tanten in den einschlägigen Rubriken der Ratgeberredaktionen. Man vermutete hinter ihnen Menschen mit gesundem Menschenverstand und Lebensklugheit. Experten waren sie wohl alle nicht. Menschen aus Fleisch und Blut vielleicht auch nicht.

Ach übrigens: Ich für meinen Teil berate Sie gerne zu Fragen der imagestärkenden Positionierung, klicken Sie hier: www.missword.de. - Kein Fake, versprochen!


Foto: Fotolia.com Datei: #55678313 | Urheber: Andrey Kiselev


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