Freitag, 22. Januar 2016

Aufgespießt: Scheitern, versagen oder es einfach nur nicht wollen?

Wenn mir jemand auf die Frage "Was ist für Sie Glück?" antwortet: Liebe, Familie, Job, Freunde, Wohlstand, alles zusammen, so bin ich ein wenig ratlos. So austauschbar wie indifferent sind solche Aussagen. Das klingt nach einem Gentleman's Agreement mit dem Leben, einem beliebigen Lebensentwurf, der vermutlich kaum enttäuschen aber auch nicht zu Höhenflügen anregen kann.

Glücksempfinden kann eintreten, wenn wir es gerade geschafft haben, uns aus einer Krise aus der Talsohle wieder nach oben zu kämpfen, sich mit einem negativen Ereignis, einem Schicksalsschlag schlussendlich zu versöhnen. Wenn sich Negativerfahrungen als positiv erweisen oder wenn wir etwas geleistet haben, wozu wir und andere uns gar nicht imstande gehalten haben. Kleine Schritte - per aspera ad astra :-) Aber was genau führt uns zu gesetzten Zielen? 

Talent wird häufig überschätzt


Etwas für sich persönlich Großartiges zu erreichen bedeutet in der Regel harte Arbeit, Einsatz, Entbehrung und Anspannung - und das fällt umso weniger schwer je leidenschaftlicher man das was man im Fokus hat auch wirklich will. Fleiß ohne Talent kann zu einer passablen Leitung führen. Fleiß ohne dezidiertes Ziel (was etwas anderes ist als Nutzen) funktioniert nicht. Begabung ist schön, wird aber häufig überschätzt. Oft steckt hinter dem Etwas-Wollen kein spezieller Vorsatz, es ist eben da, wie die Luft zum Atmen und das Brot zur Suppe.

Doch die Frage ist doch "Welches Motiv treibt mich an? Was ist wesentlich für mich? Was bewegt mich wirklich? Was genau lässt meinen Puls rasen?"(Das hat tatsächlich eine ureigene Erotik) - die elementare Grundhaltung hinter dem konkreten Wunschziel. Will ich mit der Welt und Anderen verbinden? Will ich Andere in die Lage versetzen etwas Bemerkenswertes zu schaffen? Etwas Bleibendes hinterlassen? Ein Stückweit die Welt verändern oder gar besser machen? Macht über andere ausüben? Und beziehe ich daraus meine Befriedigung?

Es ist einfach, aber auch sehr kompliziert. Denn die grundsätzliche Triebfeder ist die Erkenntnis: "Das will ich wirklich haben! So will ich wirklich sein!" - So brennend, dass es die ganze Mühe, die auf dem Weg zum Ziel liegt, wert ist. 

Will man nicht wie Kind Mozart täglich 8 Stunden Klavier üben oder wie van Gogh 10 Stunden an der Staffelei stehen, sollte man sich nicht vornehmen, ein Wunderkind zu werden resp. eines zu sein. Das geht schief! Hinter dem Genie Picassos steckt eine harte Arbeitsleistung. Er wusste genau was er wollte. Salvadore Dali bekennt ohne Scham:"Was mich interessiert ist Geld." Er bekam es - Mr. Universum zu werden, kann ein erstrebenswertes Lebensziel sein, wird aber nicht funktionieren, wenn Mann nicht bereit ist, sich ohne Murren durch alle Schwierigkeiten hindurch zum Muskelpaket zu schinden.

Das Ziel bestimmt den Weg


Erst wenn ich mein emotionales Ziel kenne, kann ich den Weg definieren. Welche Emotionen sind damit verbunden, wenn ich mich mit einer Physiotherapie-Praxis selbstständig mache? Etwa das dringende Verlangen mit Menschen zu tun zu haben? Oder in der Industrie ein erfolgreicher Entwickler zu werden? Dinge vorantreiben, die für Zukunft sorgen? Als Berater Unternehmen dabei zu unterstützen, die Gegenwart zu meistern? In meiner Freizeit in einer Suppenküche Essen aus großen Töpfen in Teller zu schöpfen? Etwas an die Gesellschaft zurückgeben, was einem selbst gegeben wurde? Umwelt schützen und Zukunft gestalten?

In unserer Gesellschaft wird schnell von Scheitern oder Versagen gesprochen, wenn sich ein Lebensentwurf nicht erfüllt. Dabei liegt im Scheitern immer auch ein mutiger Anfang, ein Schritt in eine Richtung, die wenig kalkulierbare Risiken enthält. Das sollte immer gewürdigt werden! Beim Scheitern gibt es kein funktionelles Versagen. Vielmehr wird eklatant, dass man vermutlich vorab zu wenig intensiv geprüft hat, was und wohin man wirklich will. Zeichnet sich am Horizont ein ultimatives Sehnsuchts-Ziel ab, kann der Weg dorthin noch so dornig sein, um es nicht doch zu versuchen.

Zurück zu den emotionalen Anfängen


Alle kennen wir Geschichten von Top-Managern, die ohne sichtbaren äußeren Grund alles Bisherige aufgaben und auf einer Südseeinsel ihr Leben neu gestalteten, indem sie Kokosnüsse ernteten oder sich um die Instruktion von Einheimischen kümmerten. Und zu einem tiefen Glücksgefühl fanden, das sie in ihrer früheren Existenz nicht kannten. Schlichtweg, weil es einem inneren Bedürfnis entsprang. Man kann ein absoluter Faulpelz oder Dummkopf vor dem Herrn sein, aber wenn die Kunstfertigkeit Holz zu schnitzen das ist, worin man Erfüllung findet und keine Mühen auf dem Weg dorthin scheut, bleibt der Erfolg nicht aus. 

Herauszufinden, was man im tiefsten Herzen wirklich will, gehört zu den ultimativen Lebensaufgaben überhaupt. Wer kann schon behaupten, dass er diese bereits gelöst hat? Wären es mehr davon, gäbe es nicht so viele mürrische Mienen morgens in der U-Bahn oder Rempeleien abends in den Einkaufsstraßen.

Es sollte bereits in der Schule aufgespürt werden: "Wo will ich wirklich hin? Was treibt mich um? Was ist das emotionale Ziel meines Lebens?" Scheint mir wichtiger als Algebra, na ja, zumindest ebenso wichtig!

Was hat das alles mit meiner Tätigkeit als Textwerkerin zu tun?


Ich formuliere diese - zugegeben nicht neuen - Gedanken nicht mit belehrender Absicht - Didaktik liegt mir fern. Aber in meinem Metier als Wortwerkerin bin ich häufig in der Situation meine Auftraggeber zu fragen: "Was bedeutet es emotional für Sie, das zu tun was Sie täglich unternehmen? Was ist der ganz konkrete materielle und emotionale Nutzen für die, die Ihre Lösungen, Produkte, Dienstleistungen abrufen?" Und dann reicht es mir nicht aus zu hören: "Unsere Kunden profitieren von einer qualitativ hochwertigen Hydraulik-Pumpe!" Das ist vordergründig. Was bedeutet es auf der Meta-Ebene? "Reibungslos ablaufende Fertigungsverfahren?" Ja, doch. Aber was noch? "Gesteigerte Umsätze?" Genau. Und weiter? "Befriedigung auf der ganzen Linie! Das gute Gefühl auf dem richtigen Weg zu sein!"Heureka! Das ist Glück, zumindest eine Spielart von Glück. Was will man mehr.

Ein Text, der es nicht schafft im Leser Emotionen zu wecken, macht wenig Sinn. Dies gilt nicht nur für die schöne Literatur, sondern für jeden Nutz- und Gebrauchstext (auch für eine Produktbeschreibung!), der eine Wirkung erzeugen soll.  MissWord! steht für emotionale Texte.



Bild: Stocksnap.io


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