Sonntag, 8. Oktober 2017

Aufgespießt: Grün zu Grün

Regen seit Tagen - Er inspirierte mich zu einer Mikrostory, die man so oder so lesen kann :-)

Grün zu Grün

Bin ich es leid! Kopflos herumlaufen, über Schlaglöcher steigen mit Füßen, die sich kaum über den Boden heben lassen, mit Sehnsucht in einem wunden Herzen, mit einem kleinen Marder in der Magengrube, mit einem Blick, der alle verwundet, die meinen Weg kreuzen. Bin ich es leid. Wann kommt der große Regen, der mich durchnässt bis auf die Haut, rein wäscht, was stört, meine Kleidung an den Körper presst, meine Seele durchspült, die Haare löst, das Herz frei macht?

Smaragdgrüne Wiese mit Regentropfen

Regnen kann es ja auch in mir, das ist wahr, das war schon immer so. Weißt du das nicht mehr? Lass es regnen, trau dich, es tut nur noch manchmal weh, aber dann doll. Gerade jetzt, oh ja. „Hinter dem Regenbogen geht’s weiter“, und so fort. Doch wo ist der Eingang? Die Hintertüre finde ich dann schon. Was für ein Timing: sich nach Regen sehnen, wenn die Sonne knallt und hart und sengend auf den Asphalt knattert. Asphaltkopf sagt keiner, fällt mir ein, immer nur Betonkopf. Warum nicht?

Plötzlich aus dem Nichts, ein Blitz, ein Donner, ein Regenschauer. Dann leuchtet es grün, pink, gelb, lila, blau, rosig. Werbung? Immer abends zwischen 19 und 20 Uhr. Der Joghurt mit der Ecke oder sind es die Fruchtzwerge? Der kleine Snack für zwischendurch, der Kraftcocktail, die Zuckerbombe. Danke, nicht für mich. Danken Sie jemand anderem, sagt die Stimme aus dem Off. Off, uff, geschafft, offenbar... wie viele F verträgt ein Satz? Fragen Sie den Professor, wieder die Stimme. Ja, wo ist der denn? Er hat seinen Regenschirm vergessen und ist noch mal nach Hause gegangen.

Endlich regnet es in meinen Kopf hinein. Das kühlt, tut gut. Es blubbert in der Nase, sickert in meine Ohren, tröpfelt in den Halsausschnitt, trippelt über die Stirn, flößt die Balken über den Strom der Straße und Sturzbäche aus den Dachrinnen. Da kommt auch der Professor. Beim Vorübergehen entreiße ich ihm den Schirm. Als ich ihn aufspanne, dringt Regen aus hundertundeins Löchern. Auch gut, denke ich und gebe ihm den Schirm zurück. Nun will er ihn nicht mehr. Beleidigt geht er davon.

Warum spricht keiner mit mir unter dem gelöcherten Schirm, aus dem es grün tropft. Warum grün? Ah, das ist der Maler an der Hausfassade, der über mir auf einem Gerüst einen Pinsel schwingt und methodisch in einen Topf mit grasgrüner Farbe taucht. Sein Gesicht sieht aus, als ob er einem inneren Rhythmus folgt. Das gefällt mir. Mein Kleid ist auch grün. Ich recke meinen Hals nach oben, nun wird auch mein Gesicht grün. Die Haare sind es längst. Das steht mir, das weiß ich.

Ich gehe aus der Stadt hinaus, übers Land. Treffe auf weite wogende Wiesen, die im Regen aufblühen. Im Licht der Sonnenstreifen, die gerade den Regen teilen, glitzern sie saftig und smaragdgrün. Schön ist das. Ich stapfe durch hohes Gras und lasse mich auf den Rücken gleiten. Von oben regnet es weiter, dichte lange silberne Fäden, die sich zu Büscheln verweben. Windböen sprühen pralle Tropfen auf meine grünen Wangen. Ganz langsam sinke ich ein, immer tiefer, die Wiese bewegt sich in Wellen und umarmt mich behutsam. Aufseufzend werde ich eins mit ihr. Grün zu Grün, das wollte ich schon immer.



Sigrid Jo Gruner/8.10.17

Bildnachweis: Stocksnap.io, FOX






Sigrid Jo Gruner unterstützt als "MissWord! Manufaktur für das wirksame Wort" Unternehmen und Selbstständige bei ihrer Positionierung und Unternehmenskommunikation. Schwerpunkte: Strategische Beratung, Branding, Konzeption & Redaktion, PR- & Magazintext, Web-Content, E-Book & Corporate Book. Und 24-jährige Erfahrung.


Schwerpunktthemen: Alles was gut schmeckt, schön aussieht, sinnvoll ist & glücklich macht. Gesellschaftspolitische und Zeitthemen, komplexe B2B-Themen, Food, LifeBalance und Persönlichkeitsentwicklung, Marketing-, Manager- und Businesswissen.

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