Die Erfindung des Grandhotels
Wie schaffen es Hotellegenden wie Waldorf Astoria, Ritz Carlton oder
Raffles, dass wir bereits glänzende Augen bekommen, wenn nur ihr Name fällt?
Hotellegenden sind unsterblich |
Sie wurden
ein Mythos, weil sie viel von sich reden machten. Stück für Stück baut sich
Image organisch auf. Vorausgesetzt: Traum und Wirklichkeit stimmen in Anspruch
und Aussage überein. Hotels agieren hier nicht anders als
Wirtschaftsunternehmen. Traditionshäuser wussten das, sonst wären sie keine
geworden. Auch kleine und neue Häuser schaffen das. Indem sie adoptieren, was
die Großen tun. Von sich hören lassen, sich sichtbar machen. Professionelle Hotel-PR
eben.
Das gilt im
Grunde für alle. Große Namen wie Cipriani, De Crillon, Reids, Vierjahreszeiten,
Adlon, Elephant Weimar, Oriental Bangkok, Chelsea Hotel haben es einen Tick
leichter. Aber ein höheres Budget ist nicht wirklich kriegsentscheidend. Worum
geht’s tatsächlich?
Geliebt,
verehrt, aus der Ferne angehimmelt – Grandhotels spiegeln unerlöste Sehnsüchte.
Sie leben von dem was sich in der Psyche der Gäste abspielt, wenn sie die
Drehtür durchschreiten. Sie verkaufen Parallelexistenzen, bauen Filmkulissen
für Applausdurstige und rollen Bühnen aus für Lebenshungrige, die ihren Appetit
nur in der Ferne stillen können. Das mag den Reiz des Reisens ausmachen: Beim
träumerischen „Ganz-außer-sich-sein“ ganz zu sich selbst finden. Übrigens: Das kann auch ein kleines oder
mittelgroßes Haus leisten.
Hotel-Legenden machen vor Wonne frösteln
Als Kind
wollte ich Literatin werden. Wie Marcel Proust, Tucholsky, Ödon von Horvath,
Hemingway, Klaus Mann, Sylvia Plath ganz
oder zeitweise mein Leben ballastfrei in der intimen Höhle eines Hotelzimmers führen. "Einsam ohne allein zu sein", wie Zoe Jenny es einmal benannte. Während der
drei Monate Residenz im Basler „Les Trois Rois“ beendete sie ihren Roman „Ein
schnelles Leben“, eine kurzzeitig schwebende Existenz ohne bürgerlichen Boden.
„Writers in Residence“ hat in der Schweiz eine neue Bestimmung erfahren. Im
Hotel ändert sich das Zeitgefühl – ahnte bereits der Held im „Zauberberg“, Hans Castorp, die Geistgeburt Thomas Manns. Er
kam auf drei Wochen und blieb sieben Jahre. Hätte ihn der Erste Weltkrieg nicht
an die Front gerufen, wäre er heute noch da.
In einen
Hotelpalast wie George V oder Palace Merano, New York Plaza, Claridge, Kulm
Hotel St. Moritz oder Marmounia Marrakesch tritt man ein, und blitzschnell
scheint die Attitüde des Ortes auch die eigene zu werden. Zumindest im
Wunschdenken. Man adoptiert, was sich in Vorhangfalten und Betthimmeln über
Jahrzehnte & Jahrhunderte wie unsichtbare Patina einnistete. Hotelgäste schlüpfen
nicht selten in eine zweite Haut. Hochstapler und Hotelpage Felix Krull
beschreibt es mit ironisch-selbstverzücktem Blick, Vicky Baum zeichnete so das
Sittengemälde der Zwanziger Jahre.
Wie finden Gast & Hotel zueinander?
Preis-Schnäppchen
sind nicht das Ei, aus dem Faszination
schlüpft. Ausgenommen ein exorbitant hoher Preis, der ein schwindeliges Lustgefühl
erzeugt - vergleichbar dem Endzeit-Schauder dessen, der jäh vor einem Abgrund
steht. J Was uns bewegt, auf „Buchen“ zu klicken, ist das innere
Blitzlichtgewitter. Unser Unbewusstes macht diesen Job gerne.
Was passiert
mit uns „Menschen im Hotel“, wenn wir die Brokatdecke vom megabreiten Bett
ziehen und ein exquisiter aus dem Satinkissen aufsteigender Rosenduft unsere Nasen
kitzelt? Wenn der eigene Butler mit behandschuhten Fingern uns den seidenen
Morgenmantel reicht und Goldperlen im türkisfarbigen Badewasser flimmern? Wenn wir
uns die Filmdiva vergegenwärtigen, die von eben diesem Hotel im Cabrio aufbrach
um sich flugs den Hals zu brechen? Wenn wir unter monströsen Kronleuchtern ein
7-gängiges Champagner-Menü verzehren, wie 120 Jahre vor uns ein europäischer
Monarch kurz vor dem Exil? Warten wir im Restaurant der „Schatzalp“ nicht wie
weiland Hans Castorp auf das Klirren
der zugeschlagenen Glastür mit dem Madame
Chauchat ihr Kommen ankündigt? Der Genius Loci wirkt bei allen – todsicher!
Und dies nicht nur in Nobelherbergen. Jedes Hotel birgt Geschichten in seinem kultivierten Innern. Ein
sorgfältig gebautes Image, das die Realität nicht scheuen muss, ist der Anfang. Es aufzubauen fällt allerdings angesichts der Hotelketten-Manie nicht leicht. Aber es gibt sie und zunehmend mehr, die Privat- und Individualhotels, Design- und Boutiquehotels, die ihren Ursprung aus dem Nukleus Familienhotel kaum noch zu erkennen geben.
Hotel-PR heute: Die Erotik von Story und Content nutzen
Warum nutzen
Hotels dieses feine Gespinst aus neuronaler Verführbarkeit und Fernweh so betrüblich
wenig für ihre Presse- und Öffentlichkeitsarbeit? Warum erschöpfen sich
PR-Themen so oft bei der saisonalen Spargelkarte, der Eröffnung der Skisaison
oder der x-ten Kür des „Angestellten des Monats“? Bei Personalien, Zertifikaten
und Auslastungszahlen. Ist es das, was Gäste zum Buchen verführt? Ehrenvolle
Marginalien sind es, aber auch nicht mehr.
Dabei ist Hotellerie
in einen schillernden Kokon aus Geschichte und Histörchen, lokalen Randnotizen,
kulturellen und allzu-menschlichen Bezügen eingewoben, der genutzt werden will.
Scheherazade betört ihren Sultan Nacht für Nacht mit einer neuen Serienfolge. Der
listig eingesetzte Kliffhänger macht diesen süchtig auf das Ende. TV-tauglich! Bis der enthusiasmierte
Despot auf dem Gipfel der Spannung aufgibt und seine Bezwingerin ehelicht. Eine
vorzügliche Strategie, wie erfunden für die Öffentlichkeitsarbeit der
Hotellerie. Gäste wollen becirct werden. Nichts weiter. Emotionaler Content ist
die Pfauenfeder der Scheherazade.
Kommunikation für Hotels ist schwierig und einfach zugleich
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Bildnachweis:
StockSnap_IOVNPY7AFC Jonathan Petersson
StockSnap_4TIYVM2VPW Kaique Rocha
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Tags: Hotel-PR, Kommunikation Grandhotel, Story, Content
Sigrid Jo Gruner führt mit
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