Einmal mehr fragen wir uns: Was ist Glück?
Hans hatte schon öfter seine goldene Taschenuhr verloren,
aber sie jedes Mal wie durch ein Mirakel ohne besondere Anstrengungen wieder
gefunden. Nicht, dass das einer besonderen Kausalität unterlag, er hatte
einfach nur Glück. Er hätte genauso gut einen Lastwagen oder Elefanten
verlieren können, auch den hätte er wiedergefunden. Hans war ein Glückskind.
Die Dinge gelangen ihm einfach. Er fragte nicht nach, warum. Das war vermutlich
die Ursache seines Glücks. Er zweifelte nie, hinterfragte nichts, entschuldigte
sich niemals. Skepsis hielt er für verfänglich wie Spinnweben an einem lauen
Sommerabend in der Laube, wenn er Sabines Rücken mit einer mückenabweisenden
Salbe einrieb, die nach Ringelblumen, Wegwurz und Knöterich roch. Woher er die
Gerüche so gut identifizieren konnte? Konnte Hans auch nicht erklären. Das war
eben so. Das flog ihm zu. Ein Glückskind eben.
Als Hans eines Tages in der 10.000-Euro-Frage einer
Fernsehshow den Namen des ersten Präsidenten der Republik Backwagi nach
dem Zweiten Außerirdischen Krieg nennen sollte, verweigerte sich ihm das Glück. Von da an
wollte Hans nichts mehr gelingen. Er kaufte sich eine Pistole, da er kein
Vertrauen mehr in das Leben besaß. Aber die Kugel verklemmte sich im Lauf.
Pech, sagte Hans und stürzte sich in schwere Depressionen, aus denen er bis zu seinem Lebensende nicht mehr auftauchen sollte. Keiner vermisste ihn wirklich, doch hielt sich das Glück seinem Dorf seitdem fern. Den Bewohnern war es gar nicht bewusst, denn zum Glück waren sie fast allesamt ganz und gar unempfindlich gegenüber seelischen Regungen. Nur manchmal meinte der eine oder andere: "Hans - war das nicht der, der immer so viel Glück hatte?"
Selbst Hans' Begräbnis war ein Fiasko.
Der greise Pfarrer hielt eine Taufrede, und die angetrunkenen Sargträger
kippten den Sarg kopfüber in die Grube. Das war Glück, denn im Aufprall öffnete
sich der Deckel und man erkannte, dass man den falschen Mann begraben hatte. Hans
selbst war mit der Portokasse des Altersheimes „Flüsternde Pinie", wo er
als Kriegsveteran untergekommen war, längst über alle Berge verschwunden
mit Ziel Amerika, wo er sein Glück in Las Vegas versuchen wollte. Allerdings wäre es nützlicher gewesen, er hätte den Weg über den Atlantik gesucht, denn auf
dem Gipfel der Berge, möglicherweise auf dem Matterhorn, verloren sich seine Spuren endgültig im ewigen Gletschereis. Tja, Pech eben.
Bildnachweis: Ricardus, Stocksnap.io
----------------------------------------------------------------------------------------------------Autorin, Journalistin, Imagetexterin & PR-Beraterin Sigrid Jo Gruner schreibt als MissWord! Webcontent, Magazin, Pressetext, Unternehmenspublikation, als Ghostwriterin Reden, Artikel und Bücher. In Strategieworkshops entwickeln Unternehmen und selbstständige Freiberufler mit MissWord! stimmige Positionierungen, Kernaussagen, Business- und Imagetexte und passgenaue Corporate Words.
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