Freitag, 28. August 2015

Aufgespießt: Savouring: Die Kunst den Moment auszukosten

Ein Thema, das sich gut an den "Casual Friday" anschmiegt. Können wir Deutschen überhaupt genießen? Man sagt uns ja vieles nach, fleißig, zuverlässig, treu und ordentlich, allerdings auch humorlos sollen wir sein. Das missfällt, wer will schon darauf reduziert sein? Genussmenschen sehen wir eher in Frankreich oder am Mittelmeer. 

Aber wird der Begriff "Genuss" ähnlich wie "Luxus" nicht oft falsch interpretiert? Luxus, vor allem der "erreichbare Luxus" bedeutet ja nicht Protz, sondern sich etwas gönnen, was für einen selbst einen hohen Wert hat, also durchaus erstrebenswert ist. Nichts für alle Tage, aber für die besonderen, die das Leben lebenswert machen. Dass es mittlerweile eine Forschungsrichtung gibt, die sich explizit dem "Genießen" widmet, ist bezeichnend. Junge Menschen genießen noch meist unverstellt und spontan. Kinder sind als kleine Egoisten verschrien, weil sie lautstark und ungeschliffen kundtun, was sie wollen und dies in der Regel auch bekommen und sichtbar genießen. 

Braucht es eine neue Philosophie des Savouring?  

Ja, unbedingt. Vor allem eine Praxis des Genießens. Das Auskosten, bei dem alle Sinne beteiligt sind, fördert - so sagt die Genussforschung - Gesundheit, Selbstwert, Lebensfreude und Resilienz, lässt uns freundlicher agieren, stärkt Kreativität und Lernmotivation. Das hat mit dem landläufigen und oft verzerrt benutzten "Positiven Denken" kaum etwas zu tun, sondern meint Sinn-Erlebnis als Lebenskunst. Unsere Zellen speichern, was uns in besonderen Situationen besonders angenehm war, einen Spaziergang am Strand, eine unerwartete Begegnung, eine liebevolle Umarmung, ein exquisites Essen - das alles sind Glücksmomente, die man immer wieder aufrufen kann. Glück ist rar und keineswegs durchgängig, das sagte schon Freud. Gott sei Dank möchte man anfügen. 

Schätzen wir unsere Erfahrungen, wir haben nur diese!

In der Lebensmitte zwischen 40-50 soll die Stimmung der Menschen am miesesten sein, ab 60 geht es wieder aufwärts. Hat mit Reifung, gespeicherten Erfahrungen, aus bewältigen Krisen gewonnener Gelassenheit zu tun, einem eher abflachenden Leistungsdruck und der Fähigkeit, sich ganz auf das Heute zu konzentrieren, denn die Zukunft wird immer endlicher. "Wenn einem Gutes widerfährt .."So warb einmal ein Werbeslogan für einen Weinbrand. Das kann man machen, ein Glas alten Whiskey oder ein prickelnder Cava kann Glücksgefühls verstärken. Der Verstärker schlechthin ist das gemeinsame Erlebnis von Glück. In einem Rockkonzert teilen die Besucher ihre Glücksmomente mit einer großen Community, was zu einer Potenzierung der Lust beiträgt. Stressabbau pur! Mikrobegegnungen und kleine Freuden des Alltags erkennen und auskosten zu können, ist der wirksamste Schutz gegen Burnout. Das sollte in der Schule gelehrt werden ebenso wie naturgemäße Ernährung.

Ich persönlich liebe es, mit mir bis dahin fremden Leuten spontan ins Gespräch zu kommen. Soll heißen: Ich quatsche sie ungeniert an. Selbst wenn sie verschlossen und in sich gekehrt wirken, kann es passieren, dass sie sich plötzlich öffnen und es zu kleinen Dialogen kommt, die nicht für die Unendlichkeit gedacht sind, aber im Hier & Heute ein Gefühl von Verbundenheit erzeugen. Das erdet ungemein. Und ist spannend dazu. Placet experiri!

Fangen Sie am heutigen Freitag doch schon mal damit an.


Literaturtipp: Robert Pfaller, "Wofür es sich zu leben lohnt!"


Bild: Fotolia.com

Woman on a swing above the beach © lassedesignen

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